Biss zum Sonnenaufgang 1
Die Liebe ist ein loderndes Feuer im Herzen. Man kann es nicht löschen, schon gar nicht, wenn es von einer steinernen Vampirhaut umschlossen ist.
Zögernd stellte er sich vor mich. Seine schulterlangen Haare, waren ordentlich nach hinten gekämmt, er hatte sich für den heutigen Tag ungewöhnlich heraus geputzt. Das sah Jake nicht ähnlich.
Fragend hob ich eine Augenbraue.
Edward neben mir bemühte sich, nicht los zu prusten, ein Grinsen lag auf seinen Lippen.
Irritiert starrte ich meinen wunderbaren Ehemann an und ließ den Blick wieder auf Jake fallen.
»Also Jake? Was ist los? «
Er hüstelte.
»Bella, versprichst du mir, nicht auszuflippen? «
Verärgert kniff ich die Augen zusammen. Meine Wutausbrüche waren mit der Zeit seltener geworden, er soll gefälligst nicht so mit mir sprechen, als wäre ich ein wahrhaftiges Monster!
»Jake, ich werde langsam ungeduldig. «
Genervt nahm ich den Rand meines weißen Pullovers und zerrte an einigen losen Fäden.
Gut, ich war nicht ernsthaft genervt, ich verbarg meine Neugier hinter einer eisernen Maske.
»Ok, ok. Ich.. bitte um die Hand eurer Tochter. «
Sofort duckte er sich und musterte mich ängstlich.
Meine Miene war unergründlich, ich war teils überrascht und teils auch nicht.
Deswegen hatte Edward also gelacht.
Nach einer Weile – einige Sekunden- wurde mein Gesicht weicher. Ich lächelte Jake an, er entspannte sich ein wenig.
»Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde, lieber Jacob. Es ist nicht meine Entscheidung. Es ist Renesmees Entscheidung. Ich werde ihr sicherlich nicht im Weg ihres Glückes stehen.«
Strahlend richtete er sich auf und sprang auf mich zu.
Überrascht nahm ich den stinkenden Wolfsgeruch auf mir wahr und rümpfte angewidert die Nase, jedoch so leise, dass Jake es nicht bemerkte. Ich wollte ja keinen verletzten Wolf hier haben.
»Danke, danke, danke Bella. Edward? «
Edward lächelte schief, sodass sich meine Nackenhaare sträubten. Wie ich ihn liebte, diesen Mann. Mühselig versuchte ich meine brennende Leidenschaft zu verbergen, die sogar zehn Jahre nicht stillen konnten.
»Ja, Jake? «
»Du bist doch auch einverstanden? «
»Ich bin gleicher Meinung wie Bella. Sollten wir nicht Renesmee fragen? «
Er lachte kurz sein wunderbares Glockenlachen.
Jake nickte eifrig, und raste einen Stock höher, wo Renesmee, meine wunderschöne liebliche Tochter, auf dem Klavier ihres Vaters spielte.
Nach einem Bruchteil einer Sekunde stand sie vor mir, eine Hand in Jakes gelegt.
Jake begab sich auf seine Knie und sein Gesicht wurde unwillkürlich ernst.
»Renesmee Cullen. Hiermit möchte ich dich etwas fragen. Möchtest du meine Frau werden? «
Renesmee lächelte sanft. Ihre Augen strahlten und hastig legte sie ihm eine Hand auf die Wangen.
Edward lächelte zufrieden und schlang einen Arm fest um mich.
Mittlerweile waren wir zwei gleichstark, die Wirkung der Neugeborenen hatte ein wenig nachgelassen.
»Ich würde es gern mit deiner wunderbaren Stimme hören, Nessie «, hörte ich Jake sagen.
»Ja ich will, Jake. «
Strahlend wandte sich Jake zu mir und lächelte triumphierend.
»Schwiegermutter Bella. Bella? Du bist alt geworden. «
Ich verdrehte lachend die Augen.
Als sich Renesmee freudig in Jakes Brust warf, drehte ich mich zu Edward.
Er hielt mein Gesicht in seinen Händen und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich lächelte. Noch nie zuvor war ich je glücklicher gewesen.
(Aus Charlies Sicht)
Ich wusste nie, welches Risiko ich einging, als ich meine Tochter Bella Edward Cullen auf einem silbernen Tablett lieferte. Hätte ich es gewusst, hätte ich vermutlich auch nichts tun können. Der Kopf meiner Kleinen ist härter als ein Steinbrocken.
Verrückter als meine gesamte Karriere
Zögernd hielt ich vor dem Haus der Cullens an. Ich wusste, dass meine reizende Enkelin und meine liebenswerte Tochter sich in diesem Haus der Löwen befanden. Um welche Spezies es sich von diesen Löwen handelte, wusste ich nicht. Ob zahm, oder gefährlich – ich hatte keinen blassen Schimmer und es war auch gut so.
Hastig richtete ich meine Jacke – sie ist schon fünf Jahre in meinem Besitz- und näherte mich der Tür. Ein metallenes Schild mit der Aufschrift »Die Cullens, fühle dich wie zu Hause« lud zu einem Besuch ein. Alice, die verrückte Kleine, hat sie vor sieben Jahren hier aufgehängt, weil sie entrüstet war, dass das Haus so ungeschmückt war. Ich musste an diesem Gedanken grinsen. Ehe ich meine Hand auf die Klingel drücken konnte, wurde die Tür aufgerissen.
Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht, begrüßte mich die lebendige Alice freudig.
»Charlie! Schön, dass du da bist!«
Achja. Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich nicht klingeln musste. Die Cullens konnten hervorsagen wann ich komme. Manchmal mach ich mir darüber Gedanken, ob dieses »Wissen« genauso funktionierte, wie ein Wetterhahn oder ähnlichem.
Ich hatte keine Ahnung, und die Geheimnisse in diesem Haus, konnten mir ruhig weiterhin verborgen bleiben.
»Hallo Alice.«
Ich nickte kurz, ehe ich mich an ihr vorbei schob. Okay, eher vorbei wälzte. Dieses Mädchen hatte eine ungeheure Kraft, und diese wurde nie schwächer.
Superman in Person?
Keine Ahnung. Mir fällt auf, dass ich in letzter Zeit die Wörter »Keine Ahnung« oft benutze.
»Ist Nessie da? «
Während ich mich von meiner alten Jacke befreite und sie vorsichtig auf einem Kleiderhaken befestigte, hörte ich die singende Stimme von Alice.
»Ja. Sie ist gerade bei Jacob. «
Ich verdrehte die Augen und lächelte. Die zwei waren wie für einander geschaffen. Komisch aber, dass Jacob plötzlich in Nessie verknallt ist, obwohl er doch in Bella verliebt war.
Naja, die Jugend von heute.
Apropos Jugend. Mit jedem Tag gewinne ich ein weißes Härchen dazu, und die Kinder um mich, wachsen nicht einmal einen Millimeter.
Nur Renesmee war die einzig in die Höhe sprießende der Familie.
Noch so eines der unzählig vielen Geheimnise.
»Nessie? Jake? «
Mit kräftiger Stimme rief ich nach ihnen und eine Minute später kamen sie angerannt.
»Opa! «
Ich zuckte zusammen, als ich die hohe Stimme von meiner Nichte hörte. Sie sprach selten, doch wenn sie es tat, hatte sie eine kristallklare Stimme.
Die ich über alles liebte.
Mit wenigen Schritten gelang sie zu mir und schloss mich in ihren Armen. Wie groß sie war, dachte ich gerührt. Ich unterdrückte einige Tränen. Sie war schon so groß wie meine 29-Jährige Tochter, die immer noch wie 19 aussah.
Mit den Fingerspitzen strich ich ihr einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie lächelte.
Jake baute sich hinter ihr auf und grinste mich frech an. Er hatte sich kein bisschen verändert.
»Charlie? Wir haben dich hierher gebeten, um dir etwas Wichtiges zu mitteilen. «
Neugierig musterte ich ihn.
»Was gibt’s? «
Er nahm Nessies Hand in seine, während sie sich mit der anderen an meinem Rollkragenpullover anklammerte, der schon mittlerweile verwaschen war.
Sie zögerte kurz, legte mir dann aber die Hand auf die Wange.
Plötzlich strömten Bilder vor meinem inneren Auge. Ich zuckte zusammen und riss die Augen erschrocken auf. Was tat dieses Mädchen mit mir?
In Panik geraten versuchte ich mich zu beruhigen. Ich wollte nicht zu viel wissen. Lass es einfach über dich geschehen, Charlie, redete ich mir zu, verzweifelt. Ich beachtete die Bilder anfangs nicht. Doch dann begann ich mich darauf zu konzentrieren. Sie zeigten Nessie in einem luftigen Sommerkleid. Sie hatte offene Haare, und ein roter Haarreif steckte in ihnen. Der Wind spielte mit einzelnen Strähnen. Sie ging auf Jake zu und drückte die Lippen auf seine.
Das Bild änderte sich. Sie zeigten Bella und Edward, wie sie sich verliebt ansahen. Sie zeigten Bellas Hochzeitskleid, dass Nessie vor fünf Jahren zu Gesicht bekommen hatte.
Und als letztes schoss sie mir ein Bild in meine Gedanken, dass Jacob vor ihr hinkniend zeigte. Langsam fügte sich alles wie zu einem Puzzle zusammen. Jake und Nessie wollten heiraten?
Ich atmete die Luft scharf ein.
Meine Nichte heiraten?
Nessie zögerte und zog ihre Finger wieder zurück. Sie spähte kurz zu Jake, der mich besorgt musterte und schaute mich dann vielsagend an. Ich realisierte ein wenig später, dass sie auf eine Antwort warteten.
Mühsam brachte ich einige Worte zu Stande.
»Heiraten? Herzlichen Glückwunsch! «
Ich war immer auf vieles gefasst, wenn ich die Fassade dieses Hauses sah. Bellas goldene Augen waren damals ein Schock gewesen, doch davon hatte ich mich schnell beruhigt.
Doch nun das..?
Es schien so, als hätte Nessie besondere Kräfte. Vielleicht war es aber auch nur ein psychologischer Trick, der bei anderen Menschen Wahnbilder hervorrief. Vielleicht. Eine überzeugende Theorie. Froh darüber eine Erklärung für das verrückte Verhaltung meiner nun verlobten Nichte, begab ich mich in den ersten Stock um meine Tochter Bella zu begrüßen.
Ich klopfte kurz an der hölzernen Tür, ehe ich Bellas weiche Stimme hörte.
»Herein!«
Schnell drückte ich die Türklinke hinunter und mit einem Ruck öffnete sich die Tür.
Edward saß wie versteinert neben Bella, er hatte eine Hand um sie gelegt.
Ein Funken von Eifersucht durchfuhr mich. Ich war schließlich derjenige gewesen, der Bella mehr oder weniger aufzog, ich war ihr Vater, der sie von klein auf beim Wachsen zugesehen hatte, auch wenn nur jeden Sommer. Gut, später auch alle paar Jahre. Trotzdem. Ich würde gerne in den Schuhen von Edward stecken.
Edward lächelte plötzlich mitleidig und ein leichter Schauder lief meinen Rücken hinunter. Achja. Edward konnte ja Gedanken lesen.
»Öhm, Edward, das war jetzt nicht so gemeint«, meinte ich entschuldigend, und betrachtete angestrengt meine Fußspitzen.
»Nehm ich dir nie übel, Charlie. Bella ist eben ein Juwel! «
Ich nickte kurz. Stolz füllte mich auf. Ja, meine Tochter war ein Juwel.
Bella zog verwundert die Augenbrauen zusammen und schaute Edward fragend an.
Er schüttelte nur leicht den Kopf und bewegte kaum merkbar die Lippen.
Es kam kein Ton heraus, zumindest nicht für mich hörbar.
»Und Bella? Hast du schon Hochzeitsvorbereitungen gemacht? Und weiß Renee das schon? Nicht, dass sie sich so wie bei deiner Hochzeit aufregt. «
Meine Mundwinkel zogen sich nach oben, als ich an diesen Tagen zurück dachte. Sie waren so schön gewesen.
»Nein, Renesmee wollte mit nichts anfangen, bevor du die Nachricht weißt. «
»Oh. «
Ich könnte schwören, dass meine Wangen gerade zu glühen anfingen. Zu blöd, dass ich genau dies von meinem Großvater geerbt hatte.
Bella lachte mich warmherzig an.
»Und Dad, was hast du heute noch vor? «
Als sie mich an meinen heutigen Tag erinnerte, wurde ich verlegen.
Oh oh. Sie hatte in das Schwarze getroffen.
»Ich… Also… ja ich hab so eine ähnliche Nachricht wie Renesmee, aber ich hab natürlich nicht mit Renesmees Hochzeit gerechnet, also kann das Thema warten.. Naja, ich wollte heute zu Jakes Vater..weil…«
Kurz hielt ich inne und schaute nervös in Bellas wunderschönes Gesicht. Sie musterte mich neugierig, und wartete auf meine Antwort.
»Ja? «
»Ich wollte ihn bitten, mich mit Leahs Mutter.. «
verkuppeln. Ich dachte den Satz weiter, da es mir zu peinlich war, ihn vor Bella auszusprechen. Edward konnte mich ja sowieso hören, soll sie es doch aus seinem Mund hören.
Er nickte mir grinsend zu, und flüsterte es Bella ins Ohr. Sie begann zu kichern und schaute mich unentwegt an.
»Uh, Daddy ist verliebt. «
Ok, nun könnte mich ruhig ein Erdboden verschlucken. Das war echt die dämlichste Idee der Menschheit, hierher zu kommen und das heraus zu posaunen.
»Nein, Charlie, jeder ist einmal verliebt. Herzlichen Glückwunsch, Schwiegervater. «
Ich lächelte zögernd, während Bella auf mich zuraste und mir lässig den Arm um meine Schulter legte.
»Ich wette mit dir, Leahs Mum ist auch in dich verliebt. «
Sie grinste breit, während ich ihr leicht in die Schulter stieß.
Man möge das Wort leicht betonen. Meine Finger werden jetzt sicher den ganzen Tag wehtun.
Nun, zwei Hochzeiten auf einen Streich.
Hört sich verlockend an.
Es waren nun Tage vergangen. Die Hochzeitsvorbereitungen von Nessis Hochzeit waren schon in vollem Gange. Alice hatte sich mächtig ins Zeug gelegt, ist ja klar, wenn es um diese Sachen ging, war sie in ihrem Element.
In Gedanken versunken und glücklich über Ja-Wort Sue´s schritt ich den Gang vom Cullenhaus entlang, als ich plötzlich gegen jemanden stieß und ich vor Schmerz aufjaulte.
Mit Tränen in den Augen schaute ich auf und sah Bellas erschrockenen Gesichtsausdruck.
»Oh. Dad.. Ist alles ok?«
Ich biss mir auf die Zähne und legte die Hand auf die linke Schulter, in die der Schmerz pochte.
»Jaha«, trällerte ich mit einem künstlichen Lächeln auf dem Gesicht, das wohl zu übertrieben schien, denn Bella packte mich vorsichtig am Arm und zerrte mich hinter sich. Ich konnte kaum mit ihr Schritt halten und bald standen wir vor Carlisle´s Zimmer. Naaa wie toll.
»Bella, echt, es ist -«, setzte ich protestierend an und versuchte aus ihrer Umklammerung zu entfliehen, doch ohne Erfolg. Ungerührt schnitt sie mir das Wort ab.
»Na na, junger Mann, keine Widerrede und schon gar keine Ausrede.«
Ich grummelte und schaute finster zu Boden. Hatte ich schon erwähnt, dass ihr Gehirn aus Stein geschaffen war?
Carlisle musste wohl unsere kleine Auseinandersetzung gehört haben, denn mit einem fragenden Lächeln öffnete er die Tür.
»Bella? Charlie? «
Ich lächelte ihn gequält zu, schielte zu Bella und dann fiel mein flehender Blick wieder auf ihn. Er kicherte und musterte Bella mit einem Grinsen.
»Bella, mein Kind, könntest du uns allein lassen? «
Sie erstarrte einen Moment und nickte dann resigniert, während sie meinen Arm los ließ.
Langsam entfernte sie sich, immer den Blick auf mich gerichtet, wie ein Jäger auf der Jagd, der Angst hatte, dass ihm die Beute davon flitzte. Grr.
Mit einer freundschaftlichen Geste deutete mir Carlisle einzutreten.
Ich tat wie erwünscht und ließ mich auf die Couch nieder.
»Also guter Mann, was ist denn los?«
»Nicht der Rede wert, wirklich nicht. Bin nur mit Bella zusammengestoßen und du weißt ja wie stark die ist.«
Ich runzelte die Stirn und gab ein »Puh« von mir, um ihm zu illustrieren wie stark sie wirklich war. Er nickte bloß und schaute mir in die Augen.
»Charlie? Du verbirgst doch etwas vor uns?«
Irritiert hob ich die Augenbrauen.
»Wegen Sue. Und Renée«, half er nach und lächelte mich warm an.
Uh. Das tat weh. Woher dieser Mann, das nur wusste. Musste wohl an der »Arzt«-Karriere.
»Uhm. Nun ja…«