The Lemon Tree 1



„I´m sitting here, in a boring room. It´s just another rainy Sunday afternoon.” Lauthals sang er mit, während sein ganzer Wagen bebte und die Leute auf der Straße den Kopf zu ihm wendeten, als er bei einer roten Ampel halten musste. Doch das kümmerte ihn nicht, denn er war fröhlich. Mehr als fröhlich. Keiner konnte ihm diese Freude rauben. Er fuhr sich mit drei Fingern durch sein wirr frisiertes Haar und fixierte ungeduldig die immer noch rote Ampel.
„I´m hanging around, I´m waiting for you“, summte er, sein ganzer Körper bewegte sich im Takt. New York´s Straßen waren tatsächlich grau, überfüllt mit Autoabgasen und „I Love NY“ Plastiktaschen. Die berüchtigten Wolkenkratzer kitzelten die Wolken wohl, denn der Regen prasselte wie auf Kommando auf die New Yorker nieder und ärgerte die Blondine, die ihre Haare eben gebügelt hatte. Die Scheibenwischer seines Wagens setzten automatisch ein, gewährten ihn nun doch wieder die Sicht.
„And I wonder“, schrie er lachend und drückte auf das Pedal, als die nervenkitzelnde Ampel endlich auf Grün schaltete. Er verließ die Hauptstraße und bog in eine Nebengasse ein, wo sich seine gemütlich eingerichtete Wohnung befand. „I´m driving too fast, I´m driving too far..“, begleitete er die Sänger, wenn auch mit etwas schiefen Tönen. Die Stimme von Homer Simpson unterbrach das Lied, denn sein Handy läutete mit „LANGWEILIG!“. Er kramte es aus seiner Hosentasche heraus und blickte auf den Display. Ashley. Ohne lange zu zögern drückte er ab. Er würde sie später höchstpersönlich überraschen. Ein Schrei ließ ihn wieder aufschauen. Der Regen auf seiner Windschutzscheibe hatte sich Rot verfärbt. Rot? Erschrocken riss er seine Autotür auf und hüpfte aus dem Wagen. Jegliche Farbe aus seinem Gesicht entwich, als er sah, was unter seine Reifen geraten war. Seine Fröhlichkeit hatte der Regen weggewaschen, mitgenommen. Er bückte sich. Das blutverschmierte Gesicht einer hübschen Frau sah ihm entgegen. Leblos. Er stürmte in seinen Wagen und holte sein Handy. „Rettung? Bitte Sixth Avenue.“ Seine eigene Stimme vernahm er kaum, das tote Gesicht der Frau war für immer in sein Gedächtnis gebrannt. Eine Menschenmenge hatte sich binnen Sekunden versammelt. Alle sahen ihn vorwurfsvoll an, nahmen die Hand des Mädchens, maßen den Puls. Nichts. Einer kramte in ihrer Tasche und fand einen Ausweis. Vanessa Hudgens hatte sie einmal geheißen.
Leblos ließ er sich auf den Boden fallen. In seinem Wagen sang der Sänger seine letzten Worte. „The Yellow Lemon Tree.“




„Ich habe sie nicht gesehen, sie ist mir vors Auto gerannt“, erwiderte er zum dreiundzwanzigsten Mal energisch. Der Polizeibeamte hatte kurz geschorene blonde Haare und graue Augen, die ihn gelangweilt musterten. Der Beamte notierte sich etwas auf dem Blatt, das er schon zwei Stunden vor sich liegen hatte und schaute wieder auf. Zac kam schon der Gedanke, dass er sich nicht seine Aussagen notierte, sondern Strichmännchen zum Zeitvertreib musterte. Ungeduldig sah er auf seine Uhr herab. Es war schon knapp vor 19 Uhr. Ashley hatte er versprochen um 16 Uhr aufzutauchen um ihr seine frohlockenden Neuigkeiten zu erzählen. Sie wusste nun von dem Autounfall und hatte enttäuscht die kleinen Flammen der Kerzen unseres romantischen Candle-Light Dinners ausgelöscht. Sie hatte vorgeschlagen zu ihm in die Polizeistation zu kommen, doch er hatte es wie ein Gentleman abgelehnt und sie gebeten sich ein Buch zu schnappen und es sich gemütlich zu machen, bis er zu Hause ankomme.
Nun saß er schon mehr als zwei Stunden vor diesem nervtötenden Polizeibeamten, der durch und durch dieselben Fragen stellte. „Was ist die Ursache dieses Unfalls?“, „War das ein Unfall oder beabsichtigt?“. Schuldgefühle nagten zwar an ihm, denn er hatte nicht Acht gegeben und war mit seinem Handy beschäftigt gewesen. Doch er stritt alles ab und wollte so schnell wie möglich der stickigen Polizeistation entfliehen. Wenigstens sagte er die halbe Wahrheit, denn er hatte diese Vanessa wirklich nicht gesehen. Wie denn auch.
„Ich kann Schadenersatz für ihre Familie zahlen. Es war ein Unfall und ich bin erschöpft“, unterbrach er die Stille, „und würde jetzt gerne nach Hause gehen.“ Der Polizeibeamte musterte ihn kritisch und erwiderte schlicht, dass Vanessa keine Familie gehabt hatte. Sie besaß eine Wohnung und studierte Philosophie. Abends hatte sie gekellnert um ihr Leben finanzieren zu können. Diese Informationen hatten sie binnen weniger Minuten erfahren.
„Sie können nach Hause gehen, Herr Efron. Doch bleiben Sie bitte in der Stadt, wir müssen noch einiges dokumentieren müssen. Vielen Dank.“
Erleichtert schnappte er sich seinen Mantel vom Sesselrücken und schritt eilig aus dem Raum und schließlich auch aus dem Gebäude. Sein Auto blinkte kurz, er startete es und fuhr –diesmal vorsichtiger als beim ersten Mal- zu Ashley.
Im Lift drückte er erschöpft auf dem dritten Knopf, um wenig später in die Wohnung von Ashley zu fallen. Sie strich zärtlich über sein Haar und drückte ihm einen sachten Kuss auf seine Lippen. „Du musst einen schweren Tag hinter dir haben, Liebling“, meinte sie mit einem traurigen Gesichtsausdruck und ging mit ihm ins Wohnzimmer. Müde ließ er sich auf die Couch fallen und hielt Ashley´s Hand. Sie sah ihn bloß an, verständnisvoll. Er sah kurz auf den Tisch, auf dem ein Krimi lag, den er schon oft verschlungen hatte. Bilder von dem toten Mädchen flammten kurz auf, wurden aber schließlich von dem Bild eines Mannes verdeckt. Der Mann der ihm eine Zukunft versprochen hatte. Der Mann wegen dem er zu schnell gefahren war, um die Nachrichten zu überbringen.
„Ja, es war ein harter Tag“, sagte er nun vorsichtig und strich über ihre rosige Wange. Ihre braunen Augen musterten ihn unentwegt, ließen ihn keine Sekunde aus ihrem Blickwinkel.
„Aber gute Nachrichten gibt es ja wenigstens“, setzte er fort, während er sich den Mantel abstreifte.
„Also erzähl mir jetzt Mal diese tollen Nachrichten, wegen denen du mich getötet hast“. Er fuhr herum. Auf dem Boden saß keine andere als die tote Vanessa Hudgens.




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